Die DFB-Reform für den Kinderfussball

Stammtischdebatten vs. Spielfeldrealität:
Ein Blick auf die notwendige DFB-Kinderfußballreform und die Auswirkungen auf Vereine wie den SVL

Vergangenen Herbst hat der DFB sein neues Kinderfußballkonzept vorgestellt. Kontrovers diskutiert und mit allerlei Fehlinformationen garniert, konnte man vor allem bei sonntäglichen Stammtischrunden die Meinung vermeintlicher TV-Experten vernehmen, das Ende des deutschen Fußballs stünde unmittelbar bevor.

Besonders sachkundig zeigte sich DFB-Vizepräsident Joachim Watzke: „Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es bedeutet, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen.“

Bis heute sind die Diskussionen um die Reform immer noch nicht verebbt, und auch auf den Sportplätzen im unteren Jugendbereich wird zum Teil mit sehr viel Unwissen darüber lamentiert. Zeit also, sich der Sache noch einmal anzunehmen und mit ein paar Missverständnissen aufzuräumen.

Fußball im neuen Format

Wenn Kinder sich für den Fußball entscheiden, dann wollen sie vor allem ihren Bewegungsdrang ausleben, sich fußballerisch verbessern, viel spielen und natürlich Tore schießen. Dies gelingt aber nur, wenn auch jeder die Chance dazu erhält. Wie sinnvoll war es zum Beispiel in der F-Jugend auf einem Feld der Größe 50m x 35m im 7:7 zu spielen?

Die Spiele liefen meistens so ab: Pro Team dominieren zwei, maximal drei Spieler das Spielgeschehen. Der Rest sieht teilnahmslos zu, bekommt vielleicht mal durch Zufall einen Ball vor die Füße und hat, wenn es hochkommt, am Ende eines Spiels vielleicht drei oder vier Ballaktionen. Alle wundern sich, wenn sich so ein Spieler oder eine Spielerin in den Jahren dann überhaupt nicht weiterentwickelt und irgendwann frustriert mit dem Spiel aufhört.

Der Verlust von Potential

Dadurch gehen uns jedes Jahr Tausende von Spielern verloren, die wir durch eine gute Ausbildung weiter im System halten könnten und die alle Vereine bereichern würden. Die wenigsten von ihnen werden Bundesligaspieler, einige schaffen es in die erste oder zweite Mannschaft.

Aber wir benötigen in jedem Verein nicht nur Spielerinnen und Spieler, sondern auch Schiedsrichter, Jugendleiter, Jugendtrainer, Teammanager, Platzwarte, sportliche Leiter, Kassierer, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aller Art – die Liste ist endlos!

In den unteren Jugendabteilungen erleben wir beim SVL einen enormen Zulauf. Allein von den Kleinsten unseren Piccolinis (U3) bis zu der D-Jugend (U13), haben wir mittlerweile mehr als 140 Kinder in den jungen Altersklassen in der Abteilung Fußball – ein enormes Potential für die Zukunft!

Sobald wir aber ein Kind verlieren, weil es frustriert aufhört und keinen Spaß am Fußball entwickelt hat, kehrt es in der Regel nicht wieder zurück und fehlt uns später im Vereinsleben.

Die Philosophie hinter den neuen Trainingsformen

„Übung macht den Meister“ – diesem Sprichwort wird wohl niemand widersprechen. Daher ist es umso wichtiger, die Kleinsten von Anfang an zu fördern und ihnen den Spaß am Spiel zu vermitteln. In den 3 vs. 3 Varianten, konsequent angewandt im Training, kommt jedes Kind pro Trainingseinheit im Schnitt auf viermal so viele Ballaktionen wie in einem herkömmlichen Training in einer klassischen 7 vs. 7 Variation – somit im Schnitt auf ca. 200 Ballkontakte pro Einheit im Vergleich zu 50 Ballkontakten. Rechnet man das auf die Dauer einer Jugendspielerzeit hoch – ca. 1000 Trainingseinheiten von der F- bis zur A-Jugend – sind das am Ende der Jugendzeit 200.000 Ballaktionen in der neuen Trainingsform, anstelle von 50.000 in der traditionellen Form.


Ein neuer Ansatz für ein altes Spiel: Der breitere Weg zum Erfolg

Darüber hinaus ergeben sich jedoch noch viele weitere Vorteile. Keiner kann sich mehr auf dem Platz verstecken, jeder ist wichtig und bekommt seine Ballaktionen. Durch die zwei Tore auf dem Spielfeld wird das Feld automatisch breiter, das heißt, das Spiel konzentriert sich auch nicht mehr so auf den einen zentralen Punkt vor den beiden Toren und es weitet sich auf den gesamten Raum aus. Die räumliche Ausbildung eines Spielers ist von Anfang an eine komplett andere. Zudem gelingt es normalerweise auch jedem, Tore zu erzielen. Dadurch steigert sich die Motivation und vor allem das Selbstbewusstsein enorm, zwei Faktoren, die auch bei den Kleinsten absolut entscheidend sind.

Wettbewerb und Entwicklung: Ein Gleichgewicht finden

„Es gibt keinen Wettkampf mehr, die Kinder verweichlichen!“ –  der Stammtisch darf noch einmal zitiert werden.

Richtig ist: In der F- sowie in der E-Jugend wurde das Tabellensystem abgeschafft. Es gibt weiterhin Spiele gegen andere Mannschaften und selbstverständlich zählen die Kinder (und natürlich auch die Trainer) mit. Es gibt also auch weiter Siege und Niederlagen. Lediglich auf das sinnlose Ausspielen einer Staffelmeisterschaft verzichtet man im unteren Jugendbereich. Dem Ehrgeiz der Kinder tut dies aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Jedes Spiel wird mit großer Motivation angegangen, die Kinder wollen natürlich weiterhin gewinnen.

Vor allem wird durch diese Reform auch den überehrgeizigen Trainerinnen und Trainern, die auf der Jagd nach der nächsten „wichtigen F-Jugendstaffelmeisterschaft“ die Kinder vergessen, der Wind aus den Segeln genommen und der Fokus auf das wirklich Wichtige gesetzt: Alle Kinder sollen Teil des Spiels sein und sich beweisen dürfen.

Ein Blick über den Tellerrand: Internationale Vorbilder

Die Reform des Kinderfußballs beim DFB war überfällig. In allen anderen europäischen Fußballnationen wird schon zum Teil seit Jahrzehnten nach diesem System gespielt. Barcelona und Real Madrid trainieren fast ausschließlich im 3 vs. 3.

Der Begründer dieser Spielform war kein Spanier, kein Franzose oder Engländer, es war das Konzept eines deutschen Jugendtrainers: Horst Wein. Mit seinen Ansätzen, die er auch dem DFB vor vielen Jahren vorgestellt hatte, stieß er dort damals auf taube Ohren.

In anderen Ländern, unter anderem in Spanien, empfing man ihn dagegen mit offenen Armen, seine Ansätze wurden dort konsequent umgesetzt – wohin das führt, sehen wir jedes Jahr, wenn wir die großartigen Fußballerinnen und Fußballer von dort bewundern dürfen. Aber auch in England und Frankreich wird nach diesen Systemen gespielt und trainiert, der Erfolg gibt ihnen Recht.

Hoffen wir also, dass wir die verquerte Besserwisserei endlich ablegen und den Kindern das geben, was sie am Fußball haben sollten: den Spaß am Spiel mit dem Ball.

Vorbeikommen und sich selbst ein Bild machen!

Wer sich selbst davon einmal überzeugen möchte, ist herzlich zu einem der F- oder E-Jugendspieltage des SV Langensteinbach eingeladen. Gelegenheit dazu hat man beim Heimspieltag der F-Jugend am 20. April oder 4. Mai sowie am Heimspieltag der E-Jugend am 13. April.

Auch die „Kleinen“ freuen sich über den Support und über jeden Zuschauer, denn sie sind mit Sicherheit die „Großen“ von morgen und die Zukunft des SVL!

Tobias Brehm
Jugendkoordinator U3-U13 | Trainer U9